Die Zistersdorfer Weltvölker in Schönbrunn
Ein besonderes Stück Zistersdorfer Geschichte befindet sich derzeit auf einer ungewöhnlichen Reise: Eines der beiden Jute-Wandgemälde aus dem ehemaligen Zistersdorfer Stadtkino, die die Weltvölker darstellen, wird aktuell in einer Restaurierungswerkstatt auf dem Gelände von Schloss Schönbrunn aufgearbeitet. Die Textilrestauratorin Julia Peev, deren Atelier sich in einem der Nebengebäude der einstigen kaiserlichen Sommerresidenz befindet, widmet sich dort mit großer Sorgfalt der Erhaltung dieses doch bedeutenden Kunstwerks.
Das Zistersdorfer Rathaus wurde in den Jahren 1946 bis 1949 errichtet – und beherbergte in seinen Kellerräumen auch ein Kino. Ganz im Stil der sogenannten Nachkriegsmoderne gestaltet, war das Kino zwar sachlich ausgestattet, doch gerade in den Details offenbart sich seine gestalterische Qualität: runde Deckenleuchten mit indirekter Beleuchtung, edle Terrazzoböden und dezente Messingelemente fügen sich zu einem harmonischen Gesamtbild im Stil der 1950er-Jahre.
Wie auch in vielen Wiener Gemeindebauten jener Zeit spielte Kunst eine zentrale Rolle: Im Zistersdorfer Stadtkino finden sich mehrere Wandgemälde – besonders ins Auge stechen jedoch die beiden großflächigen Jute-Wandbilder im Foyer bzw. Warteraum, die verschiedene „Weltvölker“ darstellen. Die Entwürfe dazu stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit vom jungen Wolfgang Hutter (1928–2014), der später als einer der Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus Berühmtheit erlangte. Zu seinen bekannten Werken zählen unter anderem das Bodenmosaik im Theater an der Wien und das Wandbild „Von der Nacht zum Tag“ im Salzburger Festspielhaus. Für die Umsetzung der Zistersdorfer Entwürfe war Leopold Christian Pfeffer (1910–2004) verantwortlich, der unter anderem einige Wiener Nachkriegs-Gemeindebauten mit Sgraffiti und Mosaiken gestaltete.
Leider kam es im Zistersdorfer Rathaus wiederholt zu Wasserrohrbrüchen – einer davon verursachte einen großflächigen Wasserschaden an einem der beiden Gemälde. Im vergangenen Jahr kam Frau Mag. Peev nach Zistersdorf, um den Schaden zu begutachten. Im Frühjahr dieses Jahres trat das beschädigte Wandbild schließlich seine Reise nach Wien an – in das sogenannte „Meidlinger Viereckl“, ein Nebengebäude im Schlossareal Schönbrunn.
Dort wird das 7,5 x 2,5 Meter große Gemälde derzeit professionell gereinigt, stabilisiert und konserviert. Es wird auf farblich abgestimmten Trägerstoff aufgespannt und mit Klettverschlussstreifen versehen – eine moderne, reversible Methode, die eine schonende Wiederanbringung im Kinofoyer ermöglicht und zugleich ein späteres Abnehmen ohne Schäden erlaubt. Zusätzlich verhindert diese Technik ein Verziehen des empfindlichen Textilwerks.
Unsere Obmann-Stellvertreterin Karina Goldmann stattete Frau Peev kürzlich einen Besuch ab und durfte ihr bei ihrer faszinierenden Arbeit über die Schulter schauen. In den kommenden Wochen wird das restaurierte Kunstwerk nach Zistersdorf zurückkehren – und mit vereinten Kräften wieder an seinem angestammten Platz im ehemaligen Kinofoyer angebracht.
Dann wird es nicht nur viele Jahrzehnte Kinogeschichte erzählen, sondern auch von seiner ganz eigenen Reise nach Schönbrunn – und zurück.
Text und Fotos: Karina Goldmann, Museumsverein Zistersdorf